Gegen das vergessen; nie wieder!

Veröffentlicht am 14.08.2015 in Allgemein

Reimut Schmitt (Berlin)

Die Schuld der Ärzte (Teil 3)

Es wurden sogar Häftlinge an die Firma Bayer, Teil der I.G.Farben, „verkauft“, wo sie als Versuchskaninchen für die Erprobung neuer Medikamente eingesetzt wurden. In einem Schreiben von Bayer an die Lagerleitung von Auschwitz heißt es: „Der Transport mit 150 Frauen traf in guter Verfassung hier ein. Allerdings gelang es uns nicht, verlässliche Ergebnisse zu erzielen, weil sie während der Tests starben.

Wir möchten sie daher bitten, uns eine weitere Gruppe Frauen gleicher Größe und zum gleichen Preis zu schicken.“ Diese Frauen, die bei einer Versuchsreihe mit Narkosemitteln starben, hatten Bayer 170 Reichsmark pro Person gekostet.

Doch so schrecklich das Leid der Betroffenen auch war, so sind es nicht die Namen Clauberg, Schumann, Wirth (Siehe Beitrag „Schuld der Ärzte Teil 2“ vom Juli 2015) oder Bayer, die gemeinhin mit den menschenverachtenden medizinischen Experimenten in Auschwitz in Verbindung gebracht werden, sondern der eines 32-jährigen gutaussehenden Kriegsveteranen und Träger des Eisernen Kreuzes, der im März 1943 nach Auschwitz kam: Dr. Josef Mengele. 1) Mehr als irgendjemand sonst ist Mengele zum Synonym für Auschwitz geworden. Dies ist zum einen auf seine Persönlichkeit zurückzuführen, denn Mengele genoss die Macht, die er in Auschwitz ausübte, und nutzte sie bei seinen „Forschungen“ hemmungslos aus; zum anderen spielten aber auch äußere Umstände eine Rolle, denn er kam genau zu dem Zeitpunkt ins Lager, als die Krematorien in Birkenau fertiggestellt waren und Auschwitz im Begriff war, in seine zerstörerischste Phase einzutreten.

Die Häftlinge lernten Mengele als zwiespältige Persönlichkeit kennen. Wenn er in seiner tadellosen SS-Uniform vor ihnen stand, konnte er lächeln und charmant sein – oder aber unbeschreiblich grausam. Zeugen beobachteten, wie er eine Mutter und ihr Kind auf der Rampe erschoss, weil sie sich ihm widersetzten, aber andere erinnern sich, dass er nur freundliche Worte für sie hatte. Die tschechoslowakische Gefangene Vera Alexander erlebte die Widersprüchlichkeit seines Wesens aus nächster Nähe, als sie Kapo eines Blocks war, in dem polnische und Zigeunerkinder wohnten: „Mengele kam jeden Tag ins Lager – er brachte Schokolade mit… Wenn ich mit den Kindern schimpfte, bekam ich oft zu hören: ‚Wir erzählen dem Onkel, wie böse du bist.‘ Mengele war für sie der „liebe Onkel“. Aber Mengele hatte für dieses Verhalten einen Grund: Die Kinder waren für ihn nichts weiter als Rohmaterial für seine Experimente. Vera Alexander erlebte, wir Kinder nach einem Besuch beim „lieben Onkel“ schreiend vor Schmerzen ins Lager zurückgebracht wurden.

Mengele, der sich auf Erbbiologie spezialisiert hatte, beschäftigte sich intensiv mit der Zwillingsforschung. Im Lager kursierte das Gerücht, dass er die genauen Gründe für die Entstehung von Mehrlingsschwangerschaften untersuche, um Methoden zu entwickeln, mit denen deutsche Frauen in kürzerer Zeit mehr Kinder zur Welt bringen könnten. Doch wahrscheinlicher ist, dass er sich vor allem für die Rolle der Erbanlagen bei der körperlichen und charakterlichen Entwicklung interessierte, ein Thema, von dem die nationalsozialistischen Wissenschaftler besessen waren.

Eva Mozes Kor war 1944 zehn Jahre alt und wurde gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester Miriam für Mengeles Forschungszwecke missbraucht: „Mengele kam jeden Tag nach dem Appell herein. Er wollte wissen, wieviel Versuchskaninchen er noch hatte. Dreimal in der Woche wurden mir die Arme eingeschnürt, um den Blutfluss zu vermindern, und dann nahmen sie mir eine Menge Blut aus dem linken Arm ab, manchmal so viel, dass ich ohnmächtig wurde. Jedes Mal, wenn sie mir links Blut abnahmen, gaben sie mir mindestens fünf Spritzen in den rechten Arm. Nach so einer Injektion wurde ich schwer krank, und am nächsten Morgen kam Dr. Mengele mit vier Ärzten ins Zimmer. Er sah sich meine Fieberkurve an und sagte mit einem sarkastischen Lachen: ‚Zu schade, dass sie so jung ist. Sie hat nur noch zwei Wochen zu leben.‘ Ich verlor ständig das Bewusstsein. In diesem Dämmerzustand sagte ich mit immer wieder: ‚Ich muss überleben, ich muss überleben‘. Sie warteten nur darauf, dass ich starb. Wenn ich gestorben wäre, hätten sie meine Zwillingsschwester Miriam sofort in Mengels Labor geholt und mit einer Injektion ist Herz getötet, und dann hätte Mengele eine vergleichende Autopsie vorgenommen.

“ Eva Moses Kor überstand den Fieberanrfall und rettete damit nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das ihrer Schwester.

1) Josef Mengele (* 16. März 1911 in Günzburg; † 7. Februar 1979 in Bertioga, Brasilien) war ein deutscher Mediziner und Anthropologe. Er wurde 1937 Assistent des Erbbiologen und Rassenhygienikers Otmar von Verschuer und meldete sich 1940 freiwillig zur Waffen-SS. Nach einem Fronteinsatz als Truppenarzt bei der 5. SS-Panzer-Division „Wiking“ wurde Mengele von Mai 1943 bis Januar 1945 als Lagerarzt im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz eingesetzt. In dieser Funktion nahm er Selektionen vor, überwachte die Vergasung der Opfer und führte menschenverachtende medizinische Experimente an Häftlingen durch. Er sammelte Material und betrieb Studien zur Zwillingsforschung, zu Wachstumsanomalien, zu Methoden der Unfruchtbarmachung von Menschen und Transplantation von Knochenmark sowie zur Therapie von Fleckfieber und Malaria. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde er zwar als NS-Kriegsverbrecher gesucht, aber nie gefasst. Er starb 1979 im brasilianischen Badeort Bertioga. Mengele ertrank, als er beim Schwimmen im Meer einen Schlaganfall erlitt. 1985 wurden im Zuge einer intensivierten Fahndung seine unter falschem Namen beerdigten Gebeine entdeckt und identifiziert.

Mengele rückte erst während der frühen 1960er Jahre im Zuge der Ermittlungen zu den Auschwitzprozessen ins engere Blickfeld der Strafverfolger. Zuvor hatte er bereits einige Jahre unter seinem echten Namen ungestört in Argentinien gelebt. Seine weitere Flucht über Paraguay nach Brasilien gab zu unzähligen Spekulationen und Legendenbildungen Anlass, konnte aber erst nach der Entdeckung seiner Leiche aufgeklärt werden.

Quelle: Laurence Rees „Auschwitz – Geschichte eines Verbrechens“ und Wikipedia

 
 

Terminvorschau

Alle Termine öffnen.

09.06.2024 Kommunal- und Europawahl
Wir stimmen über die Zusammensetzung des Ortsbeirats, der Orts-, Stadt- und Verbandsgemeinderäte sowie der Kreis …

SPD Ortsverein Rhaunen

Aktiv zum Wohle unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger
 
 

Aktuelle Nachrichten

DER SPIEGEL
Sie sprach im Bundestag über das Selbstbestimmungsgesetz und bekam Hunderte von Hassnachrichten. Die Sozialdemokratin Anke Hennig über die verrohte Debatte - und eine explizite Warnung der Polizei.

Für die SPD scheint die Europawahl schon verloren, der Kanzler hält Spitzenkandidatin Barley offensichtlich für eine Nebenfigur. Wie will sie das noch drehen? Mit forschem Auftreten.

Alle sollen den Liberalen alles zutrauen, sogar den Bruch der Koalition. Christian Lindner hat sich und seine Partei mit einer riskanten Strategie in die Ecke manövriert.

Mit neuer Optik führte FDP-Chef Christian Lindner seine Partei einst zurück in Bundestag und Regierung. Finanziert wird sie auch durch eine Sonderumlage. Ein Antrag fordert nun deren Abschaffung.

Beim FDP-Parteitag geht es auch um die Zukunft der Ampel. Die AfD versteckt ihren Spitzenkandidaten für die Europawahl. Und in Südafrika jährt sich das Ende der Apartheid zum dreißigsten Mal. Das ist die Lage am Samstagmorgen.

Weil er Nutzungsrechte für ein Bild des Klosters Maulbronn nicht beachtet hat, darf Maximilian Krah sein Buch nicht weiter vertreiben. Ein Sprecher distanzierte sich zudem vom Inhalt des Buches.

Ein Mitarbeiter des AfD-Politikers Maximilian Krah soll für China das EU-Parlament ausspioniert haben. Nach SPIEGEL-Informationen hat das Büro des Abgeordneten auf sensible Daten zugegriffen.

Aserbaidschans Präsident macht in Berlin deutlich, wie abhängig Europa von Gas ist. Der Kanzler tritt schmallippig auf. Und: Das entschärfte Klimaschutzgesetz geht durch den Bundestag. Eine Bilanz in drei Akten und vier Szenen.

Nach eigenen Angaben hat die Luftwaffe eine weitere Maschine aus Russland über der Ostsee aufgehalten und begleitet. Es ist bereits der dritte Vorfall dieser Art in diesem Jahr.

Seit mehr als zwei Wochen zelteten Aktivistinnen und Aktivisten in der Nähe des Kanzleramts. Sie forderten unter anderem ein Ende von Waffenlieferungen an Israel. Nun wurde die Aktion verboten.

Deutschland und Frankreich wollen Kampfpanzer der Zukunft entwickeln. Jetzt wirklich, beteuern die Minister Pistorius und Lecornu - und schlagen einen lange nicht mehr gehörten Ton im Verhältnis zwischen Berlin und Paris an.

Die Aufhebung eines Urteils gegen Harvey Weinstein könnte viele Frauen entmutigen. Russlands Streitkräfte rücken im südlichen Donbass vor. Und die AfD steckt tief im Autokratensumpf. Das ist die Lage am Freitagabend.

WebSozis

Besucher:1176424
Heute:54
Online:1