Gegen das Vergessen, nie wieder!

Veröffentlicht am 22.12.2014 in Allgemein

Reimut Schmitt (Berlin)

Es wird schlimmer (Teil 3)

Ebenfalls im Mai 1942 begannen die Bauarbeiten am dritten und letzten großen Vernichtungslager, Treblinka. Es war kein Zufall, dass hier mehr Menschen umkamen als in einem der übrigen Vernichtungslager, da dieses Lager von den Erfahrungen der SS in Belzec und Sobibór profitierte. Die Zahl der in Treblinka Umgekommenen – schätzungsweise zwischen 800000 und 900000 Menschen – ist fast so hoch wie die der Opfer in Auschwitz.

Treblinka lag nordwestlich von Sobibór, eine kurze Eisenbahnreise von Warschau entfernt. Das Warschauer Ghetto stellte eine der größten Ansammlungen von Juden im Generalgouvernement dar, und das Lager Treblinka diente in erster Linie dem Zweck, auch diese Juden zu ermorden.

Trotz der großen Zahl der Ermordeten innerhalb eines kurzen Zeitraums gingen die Morde in keinem der Vernichtungslager reibungslos vor sich. Es sei noch einmal daran erinnert, dass die Nationalsozialisten ein Projekt in Angriff nahmen, das noch nie jemand vor ihnen versucht hatte – die mechanisierte Vernichtung von Millionen Männern, Frauen und Kindern innerhalb weniger Monate. So grauenhaft die Analogie sein mag, die Deutschen hatten drei Todesfabriken errichtet, und wie bei jedem industriellen Betrieb mussten deren sämtliche Komponenten zeitlich genau aufeinander abgestimmt sein, um das gewünschte Endergebnis zu erzielen. Wenn die Judentransporte nicht pünktlich an den Rampen ankamen, wenn die Gaskammern für die Masse der Neuankömmlinge zu klein waren, wenn es irgendwo im System zu Engpässen kam, dann konnte ein blutiges Chaos ausbrechen. Und in der ersten Zeit sollte genau das passieren.

In Belzec zeigte sich bald, dass die Kapazität der Gaskammern für die geplante Zahl der Menschen, die dorthin transportiert werden sollten, nicht ausreichte, weshalb das Lager im Juni für etwa einen Monat geschlossen wurde, damit neue Gaskammern gebaut werden konnten. In Sobibór bereiteten sowohl die Größe der Gaskammern als auch die lokalen Transportverbindungen Probleme. Zwischen August und Oktober stellte das Lager seinen Betrieb ein, während die SS sich bemühte, die Schwierigkeiten zu beheben. Doch die größten Probleme für die SS tauchten in Treblinka auf, und das hatte wahrhaft grauenhafte Szenen zur Folge.

Zunächst lief in Treblinka für die SS alles mehr oder weniger nach Plan: Täglich kamen hier 6000 Juden an, die sogleich getötet wurden. Doch bis zum August hatte sich die Zahl der Ankömmlinge verdoppelt, und der Betrieb des Lagers brach innerhalb kurzer Zeit zusammen. Dennoch weigerte sich der Lagerkommandant, Dr. Irmfried Eberl1), es zu schließen. Eberl hatte den Ehrgeiz, so August Hingst, ein SS-Mann aus Treblinka, möglichst viele Juden auf einmal zu töten und dabei alle anderen Lager zu überflügeln. Deshalb, so Hingst, seien viele Transporte angekommen, die von den Leuten in der Aufnahmebaracke und an den Gaskammern nicht mehr abgefertigt werden konnten. Infolgedessen wurden viele Opfer einfach im unteren Lager erschossen, doch das deckte natürlich das Täuschungsmanöver auf, die Grundlage für einen möglichst reibungslosen Betrieb des Lagers – niemand glaubte mehr, dass es sich um eine Desinfektionsanlag handelte, nachdem man die Leichen auf dem Boden herumliegen sah. Aus diesem Grund hielten die Züge etwa 3 Kilometer vor dem Lager auf dem Bahnhof Treblinka und warteten dort, bis im Lager wieder alles aufgeräumt war. Die Verhältnisse in den Güterwagons der Züge wurden so entsetzlich, dass viele bereits dort starben. Oskar Berger kam mit einem Transport Ende August in Treblinka an, als das Chaos seinen Höhepunkt erreicht hatte: „Als wir ausstiegen, bot sich uns ein entsetzlicher Anblick: Hunderte Leichen lagen überall herum. Haufen von Bündeln, Kleidern, Koffern, alles durcheinander. SS-Männer und Ukrainer standen auf den Dächern der Baracken und schossen wahllos in die Menge. Männer, Frauen und Kinder stürzten blutend zu Boden. Die Luft war erfüllt von Schreien und Weinen.“ Unter solchen Bedingungen war es unmöglich, die tatsächlichen Vorgänge im Lager vor den Polen, die in den Weilern und Dörfern in der Umgebung wohnten, geheim zu halten. „Der Gestank der verwesenden Leichen war einfach entsetzlich“, sage Eugenia Samuel, damals ein Schulmädchen aus der Gegend. „Wegen dem Gestank konnte man weder ein Fenster öffnen noch ins Freie gehen. Sie können sich einen solchen Gestank nicht vorstellen.“

1) Irmfried Eberl (* 8. September 1910 in Bregenz, Österreich-Ungarn; † 16. Februar 1948 in Ulm) war als Arzt von 1940 bis 1942 medizinischer Leiter der Tötungsanstalten Brandenburg und Bernburg im Rahmen der Aktion T4und anschließend im Sommer 1942 erster Leiter des Vernichtungslagers Treblinka im Rahmen der Aktion Reinhardt. Nach dem Krieg ließ sich Eberl als Arzt im schwäbischen Blaubeuren nieder, wo er zunächst ungestört praktizieren konnte. Im Sommer 1947 wurde die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart von den amerikanischen Militärbehörden auf einen in Blaubeuren niedergelassenen Arzt mit dem Namen des ehemaligen Leiters der „Euthanasie“-Anstalt Bernburg aufmerksam gemacht. Eine Vernehmung Eberls durch amerikanische und deutsche Dienststellen brachte keine Aufklärung. Nach Kontaktaufnahme mit der Staatsanwaltschaft im sowjetisch besetzten Bernburg bat diese am 30. Dezember 1947 um die Verhaftung von Eberl. Er kam am 8. Januar 1948 in Untersuchungshaft für die amerikanische Militärregierung. Eine Klärung seiner Identität war jedoch nicht möglich. Bei der Vernehmung einer in der „Euthanasie“-Anstalt Grafeneck tätigen Schwester durch das Landeskriminalpolizeiamt Tübingen am 9. Februar 1948 erkannte diese auf einer ihr vorgelegten Fotografie Eberl. Als Eberl am 15. Februar 1948 von einem Mitgefangenen auf das 1946 erschienene Buch „Der SS-Staat“ von Eugen Kogon und den darin erwähnten gleichnamigen Arzt angesprochen wurde, entschloss sich Eberl wohl zum Suizid, den er am nächsten Tag, den 16. Februar 1948, durch Erhängen in seiner Gefängniszelle in Ulm ausführte. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Ermittlungsbehörden immer noch keine Kenntnis von der wahren Identität des toten Untersuchungsgefangenen.

Quelle: Laurence Rees „Auschwitz – Geschichte eines Verbrechens“ und Wikipedia

 
 

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