Gegen das Vergessen; nie wieder!

Veröffentlicht am 16.03.2015 in Allgemein

Reimut Schmitt (Berlin)

Es wird schlimmer (Teil 6)

Es gab noch andere deutsche Offiziere, die im Sommer und Herbst 1942 gegen die Judendeportationen protestierten, doch sie stellten nur eine winzige Minderheit innerhalb der deutschen Besatzungsmacht hat in Polen dar. Und ihr Handeln hatte so gut wie keinen Einfluss auf die Judentransporte zu den Vernichtungslagern. Trotzdem wurde eine kleine Gruppe von Juden gerettet, und es ist wichtig zu erkennen, dass sich nicht alle Deutschen willig den neuen Realitäten einfügten, wenn sie aufgefordert wurden, sich an dem Verbrechen zu beteiligen.

Oskar Gröning1) dagegen gehörte mit ziemlicher Sicherheit zur Mehrheit derer, die ihre Rolle bei der Ermordung der europäischen Juden im Jahr 1942 akzeptierten. Nachdem er einige Monate in Auschwitz gearbeitet hatte, war seine Arbeit für ihn zu einer „Routineangelegenheit“ geworden. Er sortierte die Münzen und Banknoten verschiedener Währungen, die man den Neuankömmlingen abgenommen hatte, zählte das Geld und schickte es nach Berlin. Er wohnte immer noch den Selektionen bei, nicht um mit zu entscheiden, wer vorläufig am Leben bleiben sollte und wer nicht – diese Entscheidung wurde von den SS-Ärzten getroffen -, sondern um zu gewährleisten, dass die Habseligkeiten der Juden weggebracht und sicher verwahrt wurden, bis man sie sortieren konnte. Das geschah in einem Bereich des Lagers, der im Lauf der Zeit die Bezeichnung „Kanada“ erhielt, da diese Land zu einem Ziel der Häftlingsträume geworden war, einem Land, in dem Milch und Honig flossen. Bis zum Jahresende 1942 hatte die SS in Auschwitz für sich eine eigene kleine Welt aufgebaut. Die Männer hatten ihre Bediensteten und ihre feste Stellung, und sie hatten zum größten Teil eine funktionieren Methode entwickelt, sich von den Morden zu distanzieren. Und nicht nur in Auschwitz fand dieser Prozess statt, aus einem Massenmord eine geregelte Beschäftigung zu machen; während derselben Zeit geschah dasselbe auch in Treblinka.

 Franz Stangl 2) hatte den unfähigen Eberl3) als Kommandanten im September 1942 abgelöst und sofort damit begonnen, das Lager neu zu organisieren. Alle Transporte wurden gestoppt, bis die Leichen, die überall herumlagen, beseitigt waren und das Lager aufgeräumt worden war. Stangl und Wirth4) erkannten außerdem sofort, das Hauptproblem, vor dem Eberl gestanden und das einen reibungslosen Ablauf der Tötungsmaschine verhindert hatte: die Kapazität der Gaskammern. Daraufhin wurden sofort mehr und größere Gaskammern gebaut – in einem Ziegelgebäude mit einem Mittelgang, von dem links und rechts jeweils vier getrennte Gaskammern abgingen. Jede dieser Kammern war auch von außen zugänglich, was bedeutete, dass der Abtransport der Leichen wesentlich einfacher war als vorher. Die neuen Gaskammern hatten ein Fassungsvermögen von insgesamt 3000 Menschen, das Sechsfache der früheren Gaskammern. Neben dem Bau der neuen Gaskammern, die im Oktober einsatzbereit waren, führte Stangl eine Reihe von Maßnahmen ein, die alle darauf berechnet waren, den Argwohn der ankommenden Juden zu zerstreuen. Die Selektionsbaracke hinter dem Bahnsteig, an dem die Transporte einliefen, wurde so angestrichen, dass sie wie ein normaler Bahnhof wirkte samt Hinweisen auf Wartesäle. Es gab Blumen in Blumenkübeln, und der gesamte Ankunftsbereich war so sauber und ordentlich wie möglich gehalten. Bis vor kurzem wusste niemand genau, wie viele Menschen 1942 in Vernichtungslagen wie Treblinka umgekommen waren. Die SS vernichtete alle schriftlichen Unterlagen, denen man die Wahrheit hätte entnehmen können, und infolgedessen gingen die Schätzungen weit auseinander. Doch vor einigen Jahren entdeckte man im Public Record Office in London ein Dokument, mit dem eine Wissenslücke geschlossen werden konnte. Es ist der Text eines deutschen Funkspruchs, der von den Engländern abgefangen und dechiffriert wurde und statistische Angaben über die Zahl der Ermordeten in den Vernichtungslagen der Operation Reinhardt bis zum 31. Dezember 1942 enthält. Der deutsche Funkspruch enthüllte, dass Treblinka, Belzec, Sobibór und Majdanek (Ein Vernichtungslager mit wesentlich kleinerer Kapazität im Distrikt Lublin) bis zum genannten Zeitpunkt insgesamt 1274166 Menschen getötet hatten . Dabei entfielen auf Majdanek 24733, auf Sobibór 101370 und 434508 auf Belzec. Die in dem abgefangenen Funkspruch genannte Zahl von 71355 für Treblinka ist offensichtlich ein Verschreiber, denn um die angegebene Gesamtsumme zu erreichen, hätte diese Zahl 713555 lauten müssen. Treblinka war demnach im Jahr 1942 offiziell das Vernichtungslager mit der größten Zahl von Ermordeten. Auschwitz lag weit dahinter. Das sollte sich allerdings bald ändern.

1) Oskar Gröning (geb. 1921, ein Todesdatum war nicht zu finden, d.h. er ist heute 93 Jahre alt.) war ein deutscher SS-Rottenführer das Konzentrationslager Auschwitz . Während seiner Jugend war er Mitglied in verschiedenen nationalistischen Jugendbewegungen, einschließlich Hitler-Jugend. 1939 trat er in der Waffen-SS bei. Seine Karriere in der SS und erreichte ihren Höhepunkt durch die Zuordnung zu Auschwitz. Seine Verantwortlichkeiten umfassen das Sortieren und Zählen von Geld von Gefangenen. Während seines Aufenthalts in Auschwitz erlebt er die ganzen Vernichtungsprozesse der Nazis. 1944 wurde er zu einer aktive Einheit versetzt und geriet 1945 in britische Gefangenschaft. 1947 nach Deutschland zurückgekehrt führte er ein relativ normales Leben. Gröning sagte, dass die Schreie derer, die in den Gaskammern umgekommen sind, ihn nie verlassen. Er sagt, er fühlt sich schuldig gegenüber dem jüdischen Volk. Er bat um Vergebung von Gott und dem jüdischen Volk.

2) Franz Paul Stangl (* 26. März 1908 in Altmünster; † 28. Juni 1971 in Düsseldorf) war ein österreichischer Verwaltungsleiter in der NS-Tötungsanstalt Hartheim und der NS-Tötungsanstalt Bernburg sowie Lagerkommandant derVernichtungslager Sobibor und Treblinka. Als SS-Mitglied internierte ihn das US-Militär 1945 im Lager Glasenbach, wobei zu diesem Zeitpunkt von seiner Rolle in den Vernichtungsstätten noch nichts bekannt war. Nach zweieinhalb Jahren übergab man Stangl 1947 an Österreich, wo er in Linz auf Grund seiner Beteiligung an der „Aktion T4“ in Untersuchungshaft kam. 1948 begann in Linz der Hartheim-Prozess. Als Stangl von seiner Frau erfuhr, dass ein ehemaliger Fahrer des Hartheim-Personals zu vier Jahren Gefängnis verurteilt wurde, floh er am 30. Mai 1948 auf Drängen seiner Frau mit Gustav Wagner aus dem mehr oder weniger offenen Untersuchungsgefängnis. Bei seiner Flucht nutzte er zu Fuß eine der Rattenlinien über Graz, Meran und Florenz nach Rom. Bischof Alois Hudal besorgte ihm einen Pass des Roten Kreuzes und ein Visum. Stangl gelang es, 1948 nach Syrien zu entkommen. Er war in Damaskus in einer ihm von Hudal vermittelten Firma als Weber, ab Dezember 1949 als Maschinentechniker bei der „Imperial Knitting Company“ tätig. Im Mai 1949 ließ er seine Familie nachkommen. 1951 emigrierten die Stangls nach São Paulo in Brasilien, wo er zunächst wiederum als Weber in der brasilianischen Textilfirma Sutema und später als Ingenieur arbeitete. Bereits zwei Monate nach ihrer Ankunft in Brasilien bauten sich die Stangls ein kleines Haus in São Bernardo do Campo. Frau Theresa Stangl fand Arbeit in der Buchhaltung bei Mercedes-Benz. Ein Arbeitskollege konnte ihrem Mann im Oktober 1959 eine Stelle bei Volkswagen do Brasil vermitteln. 1965 bezogen die Stangls dann ein neues größeres Haus im Stadtteil Brooklin von São Paulo und lebten dort, angemeldet beim österreichischen Konsulat, unter ihrem richtigen Namen. Erst 1961 erschien Stangls Name auf der Fahndungsliste der österreichischen Kriminalpolizei, obwohl man wusste, dass er für den Tod von nahezu einer Million Menschen mitverantwortlich war. Auf Betreiben von Simon Wiesenthal verhafteten die brasilianischen Behörden Stangl am 28. Februar 1967. Daraufhin erfolgte am 23. Juni 1967 die Auslieferung an die Bundesrepublik Deutschland. Der Prozess begann am 13. Mai 1970. Das Landgericht Düsseldorf verurteilte ihn am 22. Dezember 1970 in einem der Treblinka-Prozesse wegen gemeinschaftlichen Mordes an mindestens 400.000 Juden zu lebenslanger Haft. Stangl legte gegen das Urteil Revision ein, verstarb jedoch am 28. Juni 1971 in der Haftanstalt an Herzversagen.

3) Irmfried Eberl (* 8. September 1910 in Bregenz, Österreich-Ungarn; † 16. Februar 1948 in Ulm) war als Arzt von 1940 bis 1942 medizinischer Leiter der Tötungsanstalten Brandenburg und Bernburg im Rahmen der Aktion T4und anschließend im Sommer 1942 erster Leiter des Vernichtungslagers Treblinka im Rahmen der Aktion Reinhardt. Nach dem Krieg ließ sich Eberl als Arzt im schwäbischen Blaubeuren nieder, wo er zunächst ungestört praktizieren konnte. Im Sommer 1947 wurde dieGeneralstaatsanwaltschaft Stuttgart von den amerikanischen Militärbehörden auf einen in Blaubeuren niedergelassenen Arzt mit dem Namen des ehemaligen Leiters der „Euthanasie“-Anstalt Bernburg aufmerksam gemacht. Eine Vernehmung Eberls durch amerikanische und deutsche Dienststellen brachte keine Aufklärung. Nach Kontaktaufnahme mit der Staatsanwaltschaft im sowjetisch besetzten Bernburg bat diese am 30. Dezember 1947 um die Verhaftung von Eberl. Er kam am 8. Januar 1948 in Untersuchungshaft für die amerikanische Militärregierung. Eine Klärung seiner Identität war jedoch nicht möglich. Bei der Vernehmung einer in der „Euthanasie“-Anstalt Grafeneck tätigen Schwester durch das Landeskriminalpolizeiamt Tübingen am 9. Februar 1948 erkannte diese auf einer ihr vorgelegten Fotografie Eberl. Als Eberl am 15. Februar 1948 von einem Mitgefangenen auf das 1946 erschienene Buch „Der SS-Staat“ von Eugen Kogon und den darin erwähnten gleichnamigen Arzt angesprochen wurde, entschloss sich Eberl wohl zum Suizid, den er am nächsten Tag, den 16. Februar 1948, durch Erhängen in seiner Gefängniszelle in Ulm ausführte. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Ermittlungsbehörden immer noch keine Kenntnis von der wahren Identität des toten Untersuchungsgefangenen. 4) Christian Wirth (geboren am 24. November 1885 – gestorben am 26. Mai 1944 in Slowenien) war ein deutscher Polizeibeamter und SS-Sturmbannführer, der maßgeblich an der „Aktion T4“ beteiligt, erster Kommandant des Vernichtungslagers Belzec, und Inspekteur der Vernichtungslager der „Aktion Reinhardt“ war. Christian Wirth gilt als Beispiel für einen besonders brutalen und unbarmherzigen SS-Mann, der auch von seinen eigenen Leuten gefürchtet wurde. Hiervon zeugen die Beinamen, die ihm von seinen untergebenen SS-Männern gegeben wurden: „Christian der Grausame“, „Der wilde Christian“ und „Stuka“ für Sturzkampfflugzeug. Dieses Bild entstand vor allem aus den Nachkriegsaussagen seiner Untergebenen, die in ihren Gerichtsverfahren davon überzeugen wollten, dass sie sich in einem Befehlsnotstand befanden. Es ist aber z. B. ungeklärt, ob nicht Wirths eigene Leute den tödlichen Schuss in seinen Rücken abfeuerten. Ohne Zweifel war Wirth ein gefürchteter Vorgesetzter: Dazu trug seine sehr direkte und häufig derbe, zudem von Dialektausdrücken durchsetzte Wortwahl bei. Gleichermaßen ging er bei der „Aktion T4“, der „Aktion Reinhardt“ wie auch in Triest gegen Unregelmäßigkeiten in den eigenen Reihen vor, insbesondere gegen die Unterschlagung der Wertgegenstände, die den Mordopfern abgenommenen worden waren. Aufschlussreich sind die Aussagen des SS-Richters Konrad Morgen im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess: Morgen schilderte Wirth als einen Mann, der ebenso stolz war auf seine Erfahrungen aus der „Aktion T4“ wie auch auf seinen Beitrag zur „Optimierung“ der Massenmorde der „Aktion Reinhardt“. Am 26. Mai 1944 fand Christian Wirth bei einer Fahrt auf der Straße von Triest nach Rijeka den Tod bei einem Überfall von Partisanen

Quelle: Laurence Rees „Auschwitz – Geschichte eines Verbrechens“ und Wikipedia

 
 

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